Ethnischer Pluralismus
ist immer dann negativ besetzt, wenn Homogenität idealisiert wird
und im Zusammenhang mit der Nationalstaatsbildung nationale
Identität über "ethnische Unterschiede" gefährdet
erscheint. Unter solchen Bedingungen wird jede Minderheit zum
Problem und zum Anlaß für Konflikte. Häufig allerdings sind
solche Konflikte mehr an Wahrnehmungen und Ängste als an
wirkliche Gefahren und Bedrohungen geknüpft: Auch Feindbilder
können Identität schaffen und in dieser Hinsicht
instrumentalisiert werden. Häufig stellen deshalb Mehrheiten die
hauptverantwortlichen Akteure, weil sie die Definition der
Rahmenbedingungen vorgeben.
Es gibt jedoch auch andere, bis in
das Mittelalter zurückreichende Traditionen, innerhalb derer
ethnische Vielfalt als kultureller Reichtum begriffen und genützt
wird. Diese Auffassung sieht Mehrsprachigkeit als eine
Vervielfachung der Kommunikationsmöglichkeiten und kann deshalb
gerade Minderheiten als Träger von Mehrsprachigkeit, als Brücken
der Verständigung wahrnehmen und sogar fördern.
Dieser Thematik war die Tagung der forost-Gruppe
III "Nationale Identität, ethnischer Pluralismus und
internationale Beziehungen" gewidmet, die am 28. Juni 2002
die Frage "Minderheiten: Brücke oder Konfliktpotential im
östlichen Europa" diskutierte.
Der Diskurs blieb nicht auf die
enge Kooperationsgruppe innerhalb des Forschungsverbundes
beschränkt, die Teilnehmer und Beiträge sind vielmehr auch
Ausdruck der externen Vernetzung der wissenschaftlichen Arbeit und
geben damit ein Spektrum der internationalen Diskussion der
Thematik wieder.
Die Beiträge der Tagung werden in
überarbeiteter Form und unter Berücksichtigung der Diskussionen
in diesem Arbeitspapier zusammengefaßt und abgestimmt vorgelegt.
Gerade in einem Zeitraum, in dem
Europa seine Erweiterung vorbereitet und sich dem
Minderheitenthema neu - anders als in Irrland, Südtirol und dem
Baskenland - politisch und sozial zu stellen haben wird, sind die
hier untersuchten Aspekte besonders aktuell. Die wissenschaftliche
Begleitung und grenzüberschreitende Diskussion soll diesen
Prozeß sowohl analysieren als auch konstruktiv begleiten. In
diesem Sinn war die Tagung ein Beitrag sowohl zum
interdisziplinären Diskurs wie auch zur politischen Analyse des
Europäischen Integrationsprozeß.
|