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Litauisch

Sprachperioden

Vorschriftliche Periode (7./8. Jh. bis Ende des 15. Jhs.).

Es wird angenommen, dass sich das Litauische vom Lettischen etwa im 7./8. Jh. getrennt hat. Litauisch war bis zum 16. Jh. nur in gesprochener Form in Gebrauch und wurde in zwei verschiedenen Staaten gesprochen: im Großfürstentum Litauen (Großlitauen), und im Herzogtum, später Königreich Preußen (Kleinlitauen). Vor den schriftlichen Denkmälern bestanden drei Varianten der gesprochenen litauischen Sprache oder Interdialekte, auf deren Grundlage sich im 16.-17. Jh. drei Varianten der litauischen Schriftsprache herausbildeten, die der litauische Adel, vor allem die Geistlichen gebrauchten. Dem Interdialekt, der litauische Sprache genannt wurde und einige Zeit im Großfürstentum Litauen vorherrschte, lag die ostaukštaitische Mundart von Vilnius und seiner Umgebung zugrunde; ein zweiter, der den Kern im Žemaitischen Fürstentum (lange eine selbstständige politische Einheit im Großfürstentum Litauen) bildete und žemaitische Sprache genannt wurde, basierte auf der westaukštaitischen, ein dritter auf der preußisch westaukštaitischen oder südwestaukštaitischen Mundart.

Schriftliche Periode (ab dem 16. Jh.).

Innerhalb der schriftlichen Epoche werden die Periode der alten litauischen Schriftsprache (16.-18. Jh.) und die neue Periode (19.-20. Jh.) unterschieden.

Ostpreußen (Kleinlitauen)

Der bedeutendste Autor der litauischen religiösen Literatur in Ostpreußen war J. Bretkûnas (Bretke), der in südwestaukštaitischer Mundart schrieb (1589 eine Gebets- und Kirchenliedersammlung, 1591 eine Postille in zwei Teilen, eine Bibelübersetzung, Handschrift). Für die Überprüfung der sprachlichen Richtigkeit in den litauischen Schriften wurden in Ostpreußen spezielle Kommissionen, vor allem aus Geistlichen gebildet. Zur Herausbildung der litauischen Schriftsprache trugen J. Rëza und D. Klein in Ostpreußen bei. Rëza befasste sich mit Korrekturen und Redaktion des Bibeltextes von Bretkûnas (Bretke) und bereitete das Psalmenbuch für den Druck vor, das 1625 unter dem Titel Psalteras Dovydo veröffentlicht wurde und die erste gedruckte litauische Schrift auf südwestaukštaitischer Grundlage war. Klein hat diese Sprache in seinen Grammatiken (1653, 1654) kodifiziert, sie wurde in Ostpreußen zur gemeinen litauischen Schriftsprache. Nach Gründung des Königreichs Preußen (1701 Verkündung) veränderte sich die Lage der Litauer und des Litauischen in Ostpreußen, man begann die Litauer zu diskriminieren, das Entstehen litauischer Schriften wurde erschwert. Im 18. Jh. und in der ersten Hälfte des 19. Jhs. entstanden wieder günstigere Bedingungen für die litauische Sprache. Unter dem Einfluss der aufklärerischen Ideen und der Romantik machten sich Bestrebungen zur Erforschung und Förderung des Litauischen geltend. Regierung und protestantische Kirche begannen sich aktiver um die Bildung der einheimischen Bevölkerung, deren Mehrheit Litauer waren, zu kümmern (seit 1703 Herausgabe einer litauischen Fibel; 1706 Prinzipien der Reformierung der litauischen Sprache im Traktat Principium primarum in Lingva Lithuanica von M. Mörlin; seit 1723 litauisches Seminar an der Universität in Königsberg. Mörlins Ideen (Einfachheit, Volkstümlichkeit, Verständlichkeit der Sprache und Schriften) fanden eine breite Unterstützung, erweckten das Interesse an der litauischen Sprache, förderten ihre wissenschaftliche Erforschung. Besonders wichtig war die Entstehung schöngeistiger Literatur auf der Grundlage der südwestaukštaitischen Mundart. 1747 erschien Lietuvių kalbos kilmės ir savybių tyrimas von Pil. Ruigys (Ruhig), die erste historische Untersuchung der litauischen Sprache, die das Interesse ausländischer und vor allem deutscher Sprachforscher an der litauischen Sprache weckte (z. B. A. Schleicher). In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. verbreitete sich in Ostpreußen eine antilitauische Politik und es setzte die Germanisierung des Litauischen ein. 1879 wurde die LIETUVIŲ LITERATŪROS DRAUGIJA (Litauische Literarische Gesellschaft) als Stätte der Kultivierung und Erforschung der litauischen Sprache und des Litauertums gegründet, 1880 erschien ihre Zeitschrift Lietuvių literatūros draugijos pranešimai.

Großfürstentum Litauen (Großlitauen)

Im 13./14. Jh. entstand das Großfürstentum Litauen (Lietuvos Didžioji Kunigaikštystė). Die altweißrussische Kanzleisprache wurde im Großfürstentum Litauen offizielle Verkehrssprache neben dem Lateinischen, das sich in Litauen zusammen mit dem Christentum seit dem 13. Jh. verbreitete. Durch immer enger werdende Beziehungen zu Polen infolge der Personalunion (1384) und durch die Union von Lublin (1569) verlor Großlitauen seine Selbständigkeit, im Lande wuchs der Einfluss der polnischen Sprache. Einerseits verstärkte die Reformation den Polonisierungsprozess der litauischen Oberschicht, andererseits begünstigte sie die Entwicklung der litauischen Sprache. Eine besondere Förderung erfuhr das Litauische durch die Jesuiten (1569 ein Jesuitenkolleg, 1579 Gründung einer Universität in Vilnius). Mundartliche Differenzierung und mehrere Verkehrssprachen verhinderten jedoch die Entstehung einer einheitlichen litauischen Schriftsprache. Von Anfang an bildeten sich zwei Varianten (eine östliche/ostaukštaitische für Vilnius sowie seine Umgebung und eine mittlere/žemaitische für die Niederlitauer/Žemaiten) heraus, jede von ihnen wurde vervollkommnet, in jeder entstand Schrifttum. Bedeutender Vertreter der žemaitischen Schriftsprache war M. Daukša, der 1595 einen katholischen Katechismus und 1599 die Postilla Catholicka übersetzt hat, die eines der bedeutendsten Denkmäler der litauischen Sprache und der erste akzentuierte litauische Text ist. Als Reaktion auf die Postille des Daukša brachten 1600 in Vilnius die Lutheraner eine Übersetzung der Postille des M. Rej heraus, deren Autor anonym ist. Sie ist unter der Bezeichnung Postille des Morkūnas bekannt. Im 18. Jh. berührte die letzte Teilung des polnisch-litauischen Doppelreiches das litauische Stammland unmittelbar. Der Einfluss des Polnischen wuchs auch im 18. Jh. Im Jahr 1713 erschien die erste in Großlitauen gedruckte Grammatik Universitas Lingvarum Litvaniae in lateinischer Sprache, deren Autor unbekannt ist. Im größten Teil der im 18. Jh. in Großlitauen gedruckten Schriften herrschte die mittlere oder žemaitische Variante der litauischen Schriftsprache vor. Infolge der Polonisierung kam die östliche Variante der litauischen Schriftsprache außer Gebrauch.

Im 19. Jh., zu Beginn der neuen Periode der Schriftsprache, blieb diese in Großlitauen fremden Einflüssen weiterhin ausgesetzt (weitere Polonisierung, Verstärkung der Russifizierungspolitik), was ihre Entwicklung sehr erschwerte. Die wiedereröffnete Universität in Vilnius (1803) wurde zur Geburts- und Pflegestätte der lituanistischen Bewegung der ersten Hälfte des 19. Jhs., die sich unter dem Einfluss aufklärerisch-humanistischer Ideen und der Romantik um die Hebung der Volksbildung bemühte sowie geistige Werte in Volkskunst und Sprache des bisher verachteten Bauerntums wiederentdeckte. Die Anregungen, die von Vilnius ausgingen, erreichten den žemaitischen Kleinadel, dessen Vertreter, unterstützt von einer großen Anzahl polnischer Dichter, Schriftsteller und Historiker, Träger der lituanistischen Bewegung wurden. S. Daukantas und M. Valančius verfassten erste wissenschaftliche Bücher in žemaitischer Sprache, sorgten für Reinheit, Einfachheit, Volkstümlichkeit sowie Verständlichkeit der litauischen Sprache. K. K. Daukša schrieb die erste litauische Grammatik in litauischer Sprache. In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. und zu Beginn des 20. Jhs. vollzog sich das Erwachen eines nationalen Selbstbewusstseins, verstärkten sich die Bemühungen um die Pflege und den Schutz der litauischen Sprache sowie ihre Normierung, es begann eine intensive Sammlung und Beschreibung des mundartlichen Materials (A. Baranauskas, J. Juška, K. Jaunius). Eine wichtige Bedeutung für die Herausbildung einer einheitlichen litauischen Sprache hatten litauische Zeitungen, insbesondere Aušra (1883-1886) und Varpas (1889-1904), die in Kleinlitauen gedruckt wurden, aber auch in Großlitauen verbreitet waren. Ihre Sprache beruhte hauptsächlich auf der südwestaukštaitischen Mundart, die die Grundlage vieler Schriften jener Zeit bildete. Die Zeitungen behandelten Normierungsfragen des Litauischen und strebten nach der Vereinheitlichung der Rechtschreibung, insbesondere Varpas, deren aktiver Mitarbeiter J. Jablonskis war. Die Schaffung eines unabhängigen litauischen Staates (1918) in den ethnographischen Grenzen förderte die Entwicklung der litauischen Sprache, die als Staatssprache anerkannt wurde. Im unabhängigen Litauen setzten wirtschaftliche, soziale, kulturelle Veränderungen ein, entwickelte sich ein starkes Bildungssystem, entstand ein reiches Schrifttum. Die litauische Sprache entwickelte verschiedene Stile, konnte verschiedene Bereiche des öffentlichen Lebens bedienen. Um die Entwicklung der litauischen Standardsprache bemühten sich J. Basanavičius, Begründer und Mitarbeiter der litauischen Wissenschaftsgesellschaft LIETUVIŲ MOKSLO DRAUGIJA, K. Būga, Begründer des akademischen Wörterbuchs der litauischen Sprache, die periodische Ausgabe Gimtoji kalba (1933-1941) sowie ihre Begründer und Mitarbeiter P. Skardžius, A. Salys, P. Jonikas u. a., die später in die Emigration gezwungen wurden. In der Zeit der Unabhängigkeit wurden solide Grundlagen für die litauische Standardsprache geschaffen.